Es gibt immer noch Menschen, die zum Schweigen und Verschweigen erzogen wurden. Erst im geliebten Nationalsozialismus, dann auch im bedrückenden Sozialismus, den man im Tangoschritt – zwei Schritte nach vorn, einen zurück – gut gekonnt durchschritten hat.
Bei Schweigern und Verschweigern, könnte man nun sagen, ist es beinahe zur rituellen Geste geworden, Meinung und Gegenmeinung meist nur hinter schützend vorgehaltener Hand weiterzugeben. Sogar auch bei Tagungen, wo man sich wie zu einem erweiterten Stammtischgespräch trifft.
„Manche Leute“ aber, hört man nun, wären „böse“ auf jemanden, der sich durch Gerichtsverfahren gegen Verleumdungen in der Presse und üble Nachrede zur Wehr gesetzt hat. Dabei werden – wie ehedem und immer noch – Ursache und Folge verwechselt. Das heißt, die Ursache wird verschwiegen, und die Folge wird verdreht dargestellt: Die Rufmörder werden nun zu „Opfern“ gemacht.
Jetzt aber müssen sich die voreiligen „Aufklärer“ die Fragen gefallen lassen:
Was haben sie sich dabei gedacht, als sie in den Medien z.B. die Lüge verbreiteten, Stephani hätte 1982 beim Radiosender Free Europe „gespitzelt“ und wäre deshalb vom Bukarester Securitatechef Merce belobigt worden?
Stephani war jedoch 1982 (als er noch in Rumänien lebte) nachweislich nicht im Ausland!
Und was haben sich die „Aufklärer“ dabei gedacht, als sie die Lüge verbreiteten, Stephani hätte von der Securitate 500 Lei erhalten? Und als „Beweis“ legten sie dem deutschen Leser und sogar dem Landgericht München I eine „Quittung“ vor, die gar keine Quittung ist?
Und so weiter, und so fort.
Lügen haben lange Beine, und ihre Väter meinten, wie man sieht, sie ungestraft durch die Medienlandschaft laufen lassen zu können.
Es ist eine bewährte Strategie, um eigenes Verschulden zu verschleiern.
Das muss man sich aber erst auf der (sprachlosen) Zunge zergehen lassen:
„Man“ ist richtig „böse“ auf jemanden, der sich gegen bösartige Verleumdungen wehrt – und nicht böse auf jene, die Diffamierungen und gehässige Unterstellungen in die Welt setzen. Das heißt auch, man ist nicht böse auf jene, die – aus welchem Grund auch immer – zum medialen Großangriff geblasen haben.
Unter den ostjüdischen Märchen, die ich einst in Rumänien aufgezeichnet und in der Reihe Die Märchen der Weltliteratur (bei Diederichs in München) veröffentlicht habe, gibt es die Geschichte von „Mojsches Urteil“ – eine Erzählung, die zum Nachdenken anregt, weil sie sich auf das Urteil des „Volkes“ bezieht. Ich empfehle sie jenen zur Lektüre, die meinen, sie wüßten bescheid – nur weil sie in der kollektiven Meinungsherde mitlaufen.
Den Tätern dieser Kampagne kann ich nichts empfehlen. Sie sind und bleiben, wie ein rumänischer Freund aus Italien kürzlich schrieb, „das, was sie immer schon waren, dort auf dem Balkan, wie hier im westlichen Europa“.
Zum Duckmäusertum erzogen – von den einen und den anderen erwähnten Gesellschaftssystemen – sollte man, meinen sie, alle Anwürfe und jeden verleumderischen Dreck geduldig hinnehmen. So wie man es manchmal, fatalistisch und schicksalsergeben, auch heute noch in Rumänien hören kann: „Aşa ne-a fost dat să fie…“
Nun leben wir aber nicht mehr „dort unten“, wie die Rumäniendeutschen immer noch das Land ihrer Herkunft nennen, sondern wir leben jetzt „hier oben“, in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat. Und da gibt es ein deutsches Rechtssystem, das sich von jenem „dort unten“ sehr unterscheidet.
Hätte das Landgericht München I und das Oberlandesgericht München in den verschiedenen Verfahren – nach „materialrechtlicher Prüfung der gegebenen Tatvorwürfe“ – zu Ungunsten Stephanis entschieden, so wäre das Urteil von genau diesen Verleumdern und Hasspredigern als gerecht begrüßt worden.
Nun aber muss man sich als Verlierer etwas Neues einfallen lassen. Denn dummerweise gab es eine Rechtsprechung und nicht, wie vielleicht erhofft, eine Unrecht-Sprechung. Und so geht man jetzt auf eine seltsame Betteltour und bittet gutgläubige Landsleute um Spenden für jene, die sich nun wegen Verbreitung von Unwahrheiten vor Gericht verantworten müssen.
Man bittet sowohl um einen „Geldbetrag“ als auch um „Solidarität“ mit den sogenannten Opfern, damit „die Täter“, wie es heißt, nicht vielleicht auch noch „zu Opfern“ gemacht werden.
So versucht man es jetzt mit einem neuen Verwirrspiel.
Welche „Täter“?
Und welche „Zeugenaussagen“, die angeblich, wie behauptet, „vielfach abgesichert“ wären?
„Zeugenaussagen“ am Stammtisch? Denn zu den Gerichtsverhandlungen erschien kein einziger Zeuge.
Und welche „Opfer“?
Jene „Opfer“, die in der kommunistischen Ära als Parteimitglieder und privilegierte Staatsdiener an Universitäten Karriere machten und dann irgendwann im Mitgepäck ihre dortigen „Professor h. c.“-Titel mitbrachten?
Oder jene „Opfer“, die, wie ein rumäniendeutscher Schriftsteller schrieb, in Rumänien „mit Literaturpreisen verfolgt“ wurden?
Und haben diese Autoren dann die verschiedenen kommunistischen Preiskrönungen nur deshalb angenommen, um weiterer „Verfolgung“ zu entgehen? Eine sicherlich interessante Strategie.
Wieso ist bisher kein einziges „Opfer“ mit juridisch nachprüfbaren Aussagen vor Gericht erschienen? Wieso hat sich bisher keines der angeblichen Opfer bei Stephani gemeldet?
Sind die Verleumder, die von den beiden oben genannten deutschen Gerichten ein Urteil akzeptieren mussten, nicht auch „Täter“? Und was für Täter!
Denn Rufmord ist wahrhaftig kein mediales Kavaliersdelikt. Und Rufschädigung ist immer noch strafbar. Jedenfalls „hier oben“. „Dort unten“, im Land der Herkunft, mag es anders sein. Doch das ist letztendlich vielleicht gar nicht so wichtig, wenn bald Spendengelder fließen, oder auch nur ein bißchen tröpfeln, damit die große Treibjagd weitergehen kann.
Eine Kurzdefinition der rumäniendeutschen Literatur nach 1945 könnte lauten: Die Opportunisten waren immer die anderen.
Und die Kurzdefinition angeblicher „Aufarbeitung der roten Vergangenheit“: Täter waren immer andere, Opfer nur wir.
Doch die Wahrheit kann niemals zum Täter werden, auch wenn die Verleumdung das gern so hätte. Und zum Opfer wurde in diesem Fall jemand, der sich gegen plumpe Lügen, gefälschte „Dokumente“ und bewusste Falschdeutungen von „Dokumenten“ zur Wehr gesetzt hat.
Die Gerichtsverfahren und die darauffolgenden Urteile waren somit bisher nichts anderes als die rechtliche Folge einer Ursache.
© Claus Stephani, 3. Juni 2012