Es sind meist die gleichen Fragen, die man sich seit einiger Zeit stellt:
Was hat Claus Stephani dem Stefan Sienerth angetan, dass dieser – unter dem windigen Tarnmantel angeblicher „Aufarbeitung“ – so vehement und aggressiv gegen Stephani medial zu Felde zieht?
Eine Vielzahl rumäniendeutscher Autoren wurde von Stephani gefördert, als dieser Redakteur war und ihre verschiedenen Texte in der Zeitschrift „Neue Literatur“ veröffentlichte – oft in den von ihm eingeführten, betreuten und redigierten Rubriken „Manuscriptum“, „Stationen“, „Junge Autoren“ usw.
Dazu gehörte damals auch Stefan Sienerth.
Es gibt jedoch zahlreiche Briefe – auch von Mitgliedern der sogenannten „Aktionsgruppe“ und von anderen Autoren jener Zeit –, die genau das Gegenteil bestätigen von dem, was Stefan Sienerth den meist ahnungslosen, jedenfalls gutgläubigen deutschen Redakteuren und Lesern – vom bösgläubigen Heimatblatt bis zur elitären FAZ – auftischt.
Stefan Sienerth gehörte vor seiner Aussiedlung 1990 herkunftsmäßig zu einer im sozialistischen Gesellschaftssystem privilegierten sozialen Schicht. Er besaß „eine gesunde soziale Herkunft“ (rum. origina sociala sanatoasa), wie es in damaliger Kadersprache hieß. (Von „ungesunder sozialer Herkunft“ waren jene Töchter und Söhne, die aus den Reihen der Bourgeoisie, der ehemaligen „Klasse kapitalistischer Ausbeuter“ und „Großgrundbesitzer“ etc. stammten.)
Stefan Sienerth kam aus dem siebenbürgischen Dorf Dârlos/Durles, er durfte studieren und promovieren, und er wurde – zu einer Zeit, als man allgemein im Land schon längst das wahre Angesicht der Diktatur erkannt hatte – ein eifriges regimetreues Mitglied der Rumänischen Kommunistischen Partei (RKP). Hier muss noch einmal daran erinnert werden, dass der Zeitpunkt des Eintritts in die RKP bezeichnend für jedes Mitglied war. Während zwischen 1965 und 1970 viele bekannte Künstler, Schriftsteller und andere Intellektuelle aus Überzeugung in die RKP eintraten, taten das nach 1971 nur noch aufsteigende Opportunisten.
So begann seine Karriere, die ihn durch „gewissenhafte Zielstrebigkeit“ (Peter Motzan) auszeichnet. Sie führte ihn 1990 nach München zum Südostdeutschen Kulturwerk.
Denn Stefan Sienerth wusste bereits als angehender Literaturhistoriker und -kritiker immer jenen zu schmeicheln, die ihm von Nutzen waren. Dazu gehörte bis 1990 auch Claus Stephani, der regelmäßig Texte von Sienerth in der Rubrik „Manuskriptum“ der Zeitschrift „Neue Literatur“ veröffentlichte und so den aufstrebenden Mann förderte, freilich ohne zu ahnen, dass dieser eines Tages ihn verleumderisch von der hohen Warte seines Instituts an einen medialen Pranger stellen würde.
Von den zahlreichen Briefen, die Sienerth in jenen Jahren an Stephani geschrieben hat, sei hier ein weiteres Beispiel wiedergegeben.
Diesmal ist es ein Schreiben vom 3.1.1981. (Vollständiger Text im Anhang. Schriftbild von Seite 2 undeutlich, weil im Original auf Rückseite von Seite 1.)
Und da heißt es z.B. im zweiten Abschnitt:
„Bevor ich näher auf Ihre [Stephanis] Vorschläge eingehe, möchte ich Ihnen für Ihre aufmunternden Worte und das Vertrauen, das Sie meiner Arbeit entgegenbringen, aufrichtig danken. Bei dieser Gelegenheit will ich nicht unerwähnt lassen, daß ich Ihnen vielfach Dank schulde für die Veröffentlichung meiner Beiträge in der NL. Es würde mich persönlich, und wahrscheinlich nicht nur mich, sehr freuen, wenn die Redaktion diese Reihe (Manuskriptum) nicht auflassen würde und sie weiterhin Ihrer kompetenten Leitung anvertraute.“
„Aufmunternde Worte und das Vertrauen“, „aufrichtig danken“, „vielfach Dank schulde für die Veröffentlichung“, „Ihre kompetente Leitung“… usw. „Nochmals vielen Dank“.
Auch in den weiteren 1980er Jahren sparte Stefan Sienerth nicht mit Lob, wenn es darum ging, sich auf diese Weise beim verantwortlichen NL-Redakteur Stephani „lieb Kind“ – besser gesagt: „lieb Mitarbeiter“ – zu machen. Und so heißt es dann am 26.6.1986:
„Als ich kürzlich in Klausenburg war […] hatte ich die Möglichkeit, zwei Ihrer ‚Protokolle’ zu lesen […] Es war für mich ein wahres Erlebnis! Selten hat mich ein Buch eines rdt. Autors so fasziniert wie Ihre Arbeit über das ‚Schicksal’ der Zipser Frauen. Es ist Ihnen hier vorzüglich gelungen, die gar nicht alltägliche Lebenserfahrung dieser Menschen, ihre Geschichte, Folklore, Denk- und Handlungsweise einzufangen und daraus Literatur zu machen. Ich freue mich, Sie zu diesem Buch […], als einer der ersten Leser beglückwünschen zu dürfen! Mit lieben Grüßen, auch an Ihre Frau […].“ (Vollständiger Text weiter unten.)
Bald nach seiner Aussiedlung 1990 änderte der schönrednerische Briefeschreiber und Literaturhistoriker Stefan Sienerth seine Strategie, denn dieser Stephani war ihm nicht mehr von Nutzen, und nun versucht der inzwischen zum Direktor des IKGS Aufgerückte, sich als „Aufklärer“ zu profilieren, wobei er vorgibt, „wissenschaftlich“ vorzugehen – was immer er auch damit meinen mag.
Denn Stefan Sienerth geht es dabei kaum um „Wissenschaftlichkeit“ – dann müsste er nämlich sorgfältiger und vor allem korrekter und objektiver die Vergangenheit einzelner Betroffener „untersuchen“ – doch er hat primär die eigene selbstgefällige und selbstgerechte Profilierung im Visier, die er selbstherrlich in den deutschen Printmedien zum Besten gibt.
Und so geht es Sienerth im Falle Stephani offensichtlich auch nicht um „Aufarbeitung“ der Vergangenheit sondern um die Anprangerung und Vernichtung eines Autors, den er aus welchen Gründen auch immer nicht mag.
Denn in seinem Schmäh-Artikel „Alle seine Listen“ (FAZ vom 12.03.2011) – weswegen er sich kürzlich vor dem Landgericht München 1 verantworten musste, wonach 7 von 9 Verboten an Sienerth ausgesprochen wurden – da „vergisst“ er z.B. auch nur andeutungsweise zu erwähnen, dass es über Stephani bisher 3 „Opferakten“ gibt und dass Stephani Jahre hindurch bespitzelt, verfolgt, zensuriert und abgehört wurde. Und Stephanis „Dosar personal“, 1961 von der Securitate angelegt, erklärt Sienerth einfach so zur „Täter-Akte“. Also nur Täter und niemals Opfer. Und wer was war, das bestimmen – Wir, die selbsternannten Aktenkundler.
Und auch die wiederholten Versuche Stephanis, sich aus der 1961 erzwungenen „Verpflichtungserklärung“ zu befreien und seine „Entlassung“ 1963 – wegen „Verweigerung weiterer Kollaboration“, „Unaufrichtigkeit“ der Securitate gegenüber (wie es in den Akten steht, die Sienerth bestens kennt) und aus anderen Gründen – wird von Sienerth „wissenschaftlich“ übergangen oder einfach tendenziös heruntergespielt und minimalisiert, um das Bild eines „Bösewichts“ nicht etwa wahrheitspflichtig zu schmälern.
Und so führt Sienerth auch nicht an, was die angeblichen, pauschal als „Opfer“ Bezeichneten letztendlich „erlitten“ haben sollen.
Was ist ihnen denn konkret widerfahren?
Die meisten von ihnen wurden nämlich tatsächlich von Stephani – als verantwortlicher NL-Redakteur und Leiter des Bukarester deutschen Literaturkreises und später des Poesie-Clubs – in vieler Hinsicht gefördert, was Sienerth einfach verschweigt. Und ohne diese Förderung wäre ihr Aufstieg im oft engen, mit bösartigen Stolpersteinen gepflasterten Ghetto der „rumäniendeutschen Literatur“ kaum möglich gewesen.
Doch eben diese sogenannte „fünfte deutsche Literatur“ manövriert sich nun hinein in einen Schmutzpool voll Hass und Verleumdung, wobei man versucht, einander auf den Kopf zu treten und mit Dreck zu bewerfen – so, wie man es nicht einmal in der kommunistischen Ära getan hat, als das manchmal vielleicht noch eine Voraussetzung war, um Karriere zu machen, „mit lieben Grüßen“ und „in treuer Verbundenheit“.
© Claus Stephani