Die deutsche Sprache, die wir so lieben, weil wir uns nur in ihr richtig offenbaren können, diese Sprache bietet uns oft auch die Möglichkeit, böse Dinge so zu sagen, dass sie beim ersten Hinhören gar nicht so böse klingen, wie z.B. anstatt stehlen sagt man klauen, oder gripsen, mopsen, mausen, klemmen, stibitzen, mitgehen lassen usw. Na, klingt doch alles recht niedlich und gar nicht so schlimm, wenn jemand dir gerade die Wurst vom Brot stibitzt hat.

So gibt es auch für das lateinisch-französisch-neulateinische Verb plagiieren – das etwas unmittelbarer und daher vielleicht auch ein bisschen böse klingt – gemilderte Synonyme, wie z.B. abgucken, abschreiben, abkupfern, anleihen usw. Und solche Leute, die gelegentlich etwas abschreiben, also Plagiatoren, kann man im vornehmen Sprachgebrauch auch einfach nur Abschreiber, Schwindler, Fälscher, „Enkel“, „Papageien“ usw. nennen, wie im sprachkundigen „Textor“ nachzulesen ist.

Der rumäniendeutsche Schriftsteller Dieter Schlesak, der jetzt im italienischen Cammaiore lebt, hat mehr getan als einfach nur „abgeschrieben“ – was, wie man weiß, inzwischen beinahe schon zeitgemäß  ist.  Schlesak hat sogar aus einem Text von Stephani eine Person gekidnappt  und ihr eine neue Identität gegeben. Um die Spuren der geklauten Zitate zu verwischen, hat Schlesak sich von verschiedenen Textseiten Stephanis bedient.

Dazu im Einzelnen:

Claus Stephanis Erzählerin und Gewährsperson, die jüdische Bäuerin Baila Friedmann geb. Rosenberg, sel. A., aus Oberwischau (rum. Vişeu de Sus), wurde von Dieter Schlesak „schriftstellerisch“ nach Schäßburg (rum. Sighişoara) verpflanzt, um dann dort „eine Verwandte von Ella und Gisela Böhm“ zu werden, wie Schlesak schreibt, mit Aufenthalt im sogenannten „Baruchhaus“.

Seltsam ist, dass diese Oberwischauer Baila, nun bei Schlesak als Schäßburger „Baila“, genau dasselbe mit denselben Worten auf Zipser Jiddisch berichtet, was sie 22 Jahre vorher schon Stephani für seine Tonbandaufnahme erzählt hatte, als sie von diesem befragt wurde.

Stephanis Tonbandaufnahme, die während einer seiner zahlreichen Feldforschungen am 14. Mai 1984 in Oberwischau entstanden ist, wurde zum ersten Mal unter dem Titel „Schmerz bis in den Tod. Ein Lebensbericht“  in der Bukarester Zeitschrift Neue Literatur, 35/7, Juli 1984, S. 43-47, veröffentlicht.

Die angebliche Aussage von Schlesaks „Baila“ aus dem „Baruchhaus“ im siebenbürgischen Schäßburg, findet sich wieder 2006 im Band „Capesius, der Auschwitzapotheker“, J. H. W. Dietz, Bonn,  S. 339-340.

Schlesak hat, wie auch andere schon, im Selbstbedienungsladen Stephanis gekupfert und dabei auch die Bezugsperson gleich mitgehen lassen und nach Schäßburg verschickt.

Ehrlich – wo währt das am längsten?

© Claus Stephani, 24. April 2013

Fragmente aus dem Originaltext von Stephani:

(Die unterstrichenen Sätze finden sich bei Schlesak wieder.)

S. 44:

[…] Auch ich hab zuerscht garbeit, abr in die Gaskammer bin ich nit kummen, das hat der Liebe Gott aso gwollt: ich soll ieberlebn, soll zuruckkummen – abr far wos? Hier sein gwesn keine Judn mehr im Jahr sechsundvierzig, unsre Heisr kaputt, wos mir hattn ghabt, weg… Und meine Kindr – das Mädele und der Bub, aso giete Kindr –, ich hab sie nie mehr nocheinmal gsehn, und niemand hat mir nischt kinnen sogn, wu sie sein hinkommen, wu sie sein gstorbn, die Klaanen, wu sie hobn das letschtemal nach ihre Mame schrien, und die Mame war nit gwesn da, die war anderschtwo, ojoj, man soll nit zuruckdenkn, far wos, far wos… […]

S. 45:

[…] Sie sogn, des wor ka Strof, des wor a Verbrechn? Ich weiß nischt, wos is a Verbrechn, ich weiß nur, wos is a Strof, wos is a Schmarz, wos nie schweigt. Und dos hob ich in meinr Brust, hier darin, der gruße Schmarz, das Gefiehl, ich mecht kinnen weinen, immr weinen, abr ich kann auch das nischt, ich kann nur noch aso leben mit dem Mosche (aso heißt der Mendl), und ich kann nur wartn, auf den Tod. Wunn er kimmt, haben mir sich ausglebt auf diesr Welt. […]

S. 46-47:

[…] Wie er is zuruckkommen, hat er  zuerscht garbeit, als Schlachter, als Macelar23 driebn bei der Brickn. Dann, wie wir haben gheirat, wir haben wiedr anfangn mit die Schäf, haben wir ghabt dreißig-vierzig Schäf, habn wir macht Brinsn, is es gangn aso-aso. Abr wir waren kaputt. Wir hobn so glebt, wie die Maschinern: es is gangn so wie mechanisch, wie vun allein, mir hobn nix mehr fiehlt, weil wir warn ganz kaputt. Und des man hat nie mehr kinnen repriern, nie mehr! Wir sein alt gwordn, kaputt. Wir hobn nur garbeit, wie sogt der Romäner „ghie leac, ghie dor“24, aso mir kinnen vargessn. Abr es war ka „leac“ nischt in unsere Arbeit, es wor amsunst!

Wos hilft die Klages? Hilft sie nischts! Is schon mehr ka Leben nischt. Das Leben, was mir habn ghabt, wie mir warn Kindr, das is varunglickt, wie is kommen der Hitler. Es war ka leichtes Leben nit, mir habn schwer arbeitn missn, mir Judn. Die Deitschn hier haben auch schwer garbeit, a jedr hat ghabt seine Sorgn, seine Freid, alles war gut – jo, es war gut, aso mecht ich sagn heit, bis dann is kommen die gruße Katastrof.

Das is a Schmerz bis in den Tod. Jo, deitsch sogt man Schmerz und ich sog immer Schmarz; Sie mechtn entschuldign meine Sproch, weil ich weiß nischt so git redn deitsch, nur aso wie mir hier in Wischau redn. […]

Mir kennen habn jetz zu Essen das Beste, mir kennen auch wiedr leben in unsr Haus, abr das Leben is ka Leben nischt. Wunn kommt bei uns a Feiertog, dann is der gruße Schmarz wiedr do, der geht nischt weg, weil ist ka Mensch nischt da vun meinen Menschn (wos warn frieher). Da sitzn mir sich immr im Zimmr und denkn, wie es war und wie es is heite. Wunn man a Kuh hat, gibt ihr zu essn, und sie is immr gasund, gibt Millich, is jo git, abr a Kuh is ka Mensch nit, man kann nit redn mit a Kuh, wunn frieher dies Haus, mein Vatrhaus, war voll mit Menschn, heit sein nur der Mendl und ich hier im Haus und turt hintn a Kuh. Jetz Sie farstehn, wos heißt allein sein, allein bliebn sein.

 

Plagierter Text bei Schlesak:

S. 339-340:

Damals läutete sehr oft die Große Glocke der Schäßburger Bergkirche. Viele kamen nicht wieder, und für jeden, der nicht wiederkam, läutete die Glocke.

Und ich muss an die entfrente Verwandte von Ella und Gisela Böhm, an Baila im Baruchhaus denken, an ihre Rückkehr aus dem Lager.

Baila: „…aso is a Schmarz, wos nie schweigt. Und dos hob ich in meinr Brust, hier drin der große Schmerz, das Gefiehl, ich mecht kinnen weinen, immr weinen, aber isch kann auch das nischt, ich kann nur noch aso leben … und ich kann nur wartn auf den Tod … in die Gaskammr bin ich nit kummen, das hat der Liebe Gott aso gwollt: Ich soll ieberlebn, soll zurickkummen – abr far wos? Hier sein gwesn keine Judn mehr im Jahr sechsundvierzig, unsre Haisr kaputt, wos mir hattn gehabt, weg… Und meine Kindr – das Mädele und der Bub, aso giete Kindr – ich hab sie nie mehr nocheinmal gsehn, und niemand hat mir nischt kinnen sögn, wu sie sein hinkommen, wu sie sein gstorbn, die Klaanen, [wu] sie hobn das Letschtemal nach ihrer Mame schrien, und die Mame war nit gwesn da, die war andarschtwo, ojoj.

Und als wir aso wieder zu Haus worn: … is es gegangen aso – aso. Abr wir waren kaputt. Wir hobn so gelebt wie die Maschinern: Es ist gegangen wie mechanisch, wie vun allein, mir hobn nix mehr fiehlt, weil wir warn ganz kaputt. Und das man hat nie mehr kinnen reparieren, nie mehr! Wos hilft da Klages!? Das is a Schmarz bis in den Tod. Jo, deitsch sogt man Schmerz und ich sog immr Schmarz… Wunn kommt bei uns a Feiertog, dann is der gruße Schmarz wiedr; io, der geht nischt weg, weil ist ka Mensch nischt da vun meinen Menschen. Da sitzn mir sich immr im Zimmer und denkn, wie es war und wie es ist heite.“



Die Originalbelege

 

Aus: D. Schlesak: Capesius, der Auschwitzapotheker